
Der historische
Roman von
Heike Wolff handelt
von Machtspielen, Liebe und Verrat auf der Insel Kreta etwa 1500 v.
Chr. (Buchvorstellung hier).
Im Mittelpunkt steht Ide,
die ihre
Lebensgeschichte viele Jahre
später einem Seemann namens
Makar an der libyschen Küste
erzählt. Sie ist die
Königstochter von Phaistos, einer bronze-zeitlichen
Siedlung im Süden des
Mittelmeer-Eilandes und sie soll ihrem Vater Oreichares bald auf den
Thron folgen. Das Problem dabei ist nur, dass ihr Herz einem anderen
gehört, ihr Vater jedoch schon andere Pläne für sie geschmiedet
hat.
An dieser Stelle stellte ich mir
die Frage, ob die Rückblenden-Erzählung
nun auf eine fortlaufende Liebesgeschichte abzielt,
aber ich wurde beim Weiterlesen zum Glück eines besseren belehrt. Es
entwickelt sich quasi ein klassisches Drama mit Exposition, Höhe-
und Wendepunkt, einem Hinauszögern des Endes und schließlich einer
Auflösung des Konflikts. Vor allem schlägt die Handlung mehrere
Haken, so dass man unbedingt wissen möchte, wie es weitergeht.
Besonders
gefallen hat mir die genaue Ausarbeitung der Charaktere, deren
unterschiedliche Eigenschaften und Motivationen. Da ist zum Beispiel
Ides herrschsüchtige Schwester Pareia, mit der sie sich ständig
zankt, ihr liebevoller Opa Kairomenes, der ihr mehr mit Rat und Tat
zur Seite steht als ihr Vater. Dann kommen später noch Prinz
Agathon von
Pylos und sein zwielichtiger
Leibwächter Borras hinzu, bei denen man nicht so richtig weiß, was
sie im Schilde führen.
Sehr
schön beschrieben werden zudem
die damalige
Klassen-Gesellschaft, die minoische Kultur sowie die Landschaften und
Orte (z.B. die Hafenstadt
Amyklaion) bzw. anderen
Lokalitäten. Man erfährt so einiges über die Flora- und Fauna, Speisen, die (grausamen) Rituale, Gerüche und das rege Treiben der Händler in den Gassen.
Es gibt im weiteren Verlauf
eine abenteuerliche Seefahrt
zur
peloponnesischen
Halbinsel (mit der Stadt
Pylos), die
einen Machtkampf zwischen den sogenannten Achäern und den Kretern um
die Vorherrschaft in diesem Mittelmeer-Raum verfestigen. Speziell
dieser Machtkampf hängt ständig wie ein Damokles-Schwert über der
Zukunft Ides und ihrem Freund Geros und sorgt für ein Hin und Her in
den Entscheidungen der Figuren. Außerdem
gab es vorher eine Naturkatastrophe auf Thera, unter der auch Kreta
zu leiden hatte und es kommen immer wieder kleinere Erdbeben vor. Könnte so
etwas vielleicht Phaistos Untergang heraufbeschwören?
Von der äußeren Form her bleibt
festzuhalten, dass die einzelnen Kapitel gut portioniert wurden, so
dass man sehr leicht vorankommt mit dem Lesen, die Geschichte flüssig erzählt wird und auch
nicht zu lang geraten ist. Der Schreibstil ist sehr schön bildhaft,
fast schon poetisch, so dass man sich die Situationen und Umgebungen
sehr gut vorstellen konnte.
Einen kleinen
Kritikpunkt möchte ich
dennoch anführen. Da ich nicht so vertraut bin mit dem antiken
Griechenland, hätte ich mir am Ende des Buches ein Glossar
gewünscht, das viele Begriffe (Götter-Namen,
Orte, Gegenstände, Figurenkonstellationen) nochmal
genauer erklärt hätte. Einiges wird zwar in der Geschichte
definiert und auch am Ende im Epilog kommt man als Leser nochmal
Informationen (z.B. dass Thera das heutige Santorin ist), aber ich
musste doch Vieles nochmal nachrecherchieren. Das gleiche Problem
hatte ich schon bei der Rezension eines anderen Romans („Der Fluch des Kronos“) über das
Griechenland der Bronze-Zeit.
Erst durch meine eigenen
Nachforschungen konnte ich die Handlung und einzelne Situationen in „Der Untergang von
Phaistos“ besser einordnen und
verstehen. Aber dadurch hat
sich auch mein Wissen über die Antike ordentlich erweitert.
Beispiele:
- herrschende Siedlungen auf dem
antiken Kreta waren im Norden Knossos, im Süden Phaistos, Kydonia im
Westen und Dikta im Osten;
- Welchanos war eine ausschmückende
Bezeichnung für Zeus;
- als Achäer wurden Einwohner
hauptsächlich aus dem Nordwesten Griechenlands (peloponnesische
Halbinsel) bezeichnet;
- Katgut sind Fäden zum Nähen,
hergestellt aus Naturdärmen , usw.
Mein
Fazit:
Der Autorin gelang hier eine schöne
(Liebes-)Geschichte, eingebettet in einen historischen Kontext. Ich
finde, dass diese Erzählung nicht nur für Fans des antiken
Griechenlands bzw. Kretas interessant sein dürfte. Denn „Der
Untergang von Phaistos“ bietet sehr viel mehr als nur Insel-Romantik:
Spannung, jede Menge Konflikte, interessante Figuren und einen
actionreichen Schlussakt.
Rezension von:
Geri G (Autor)
Taschenbuch (ISBN: 9783910347045) / 17€.
eBook (ISBN: 9783910347052) / 5,99€.